Medienreise Armenien, Teil 13
Am 20.6. wohnte man einem Treffen von örtlichen NGOs im Kulturhaus bei. Das Lokalfernsehen sendete davon einen Bericht. Anwesend waren „Junge Historiker“, Sportgruppen, verschiene Korrespondenten, die Organisation „Einheit“ für Kultur und Sport, die Organisation „Freie Heimat“ und Naturschutzbünde. Als größtes Problem wird von diesen NGOs der in Arzach weit verbreitete Verlust der armenischen Muttersprache bei den Jugendlichen beklagt. Dies hängt zum einen mit der Vielzahl von Flüchtlingen aus dem Turkraum zusammen, stellt aber auch eine Kritik am nicht immer optimalen Schulwesen dar, in welcher aufgrund von Sprachproblemen russisch als Lingua franca verwendet wird.
Die NGOs propagieren die internationale Anerkennung Arzachs und verfügen teilweise über internationale Kontakte, auch nach Aserbaidschan. Inzwischen sei eine ganze Generation in eine „unabhängige Republik“ geboren worden, dieser Zustand könne von keinem in Frage gestellt werden. An diesem Tag wird man zudem vom Ministerpräsidenten Anushavan Danielian empfangen, welcher die Rolle der Frauen in Arzach und die Fiskalpolitik seiner Regierung erläutert. So sollen die Steuern stark gesenkt worden sein und so das Budget steigen. Das Investitionsvolumen nahm in der Folge um 100 Prozent zu.
Medienreise Armenien, Teil 14
Danielian besuchte im Oktober 2005 Deutschland und war sehr angetan von Land und Leuten.
Am 21.06. sollte dann eine Rundreise durch Arzach erfolgen. Bedeutende Ortschaften waren hierbei Drmbon, Gandzasar und die Sektorengrenze zum Militärbezirk Agdam . Die Landschaft ist sehr beeindruckend. Allerdings werden immer wieder die Straßenbauarbeiten von umherziehenden Kühen, Schweinen und Eseln gestört, und behindern teilweise auch den fahrenden Verkehr. Man kommt nur langsam voran.
Subjektiv scheint ein deutliches Entwicklungsgefälle zwischen Stepanakert und den dörflichen Regionen zu herrschen. Die Armut scheint ausgeprägter zu sein, ebenso werden in den Gärten verstärkt Grundnahrungsmittel produziert. Bei Drmbon wird die Firma „Base Metal“ besucht. Vom stellvertretenden Direktor wird die Mine, welche seit 2002 produziert, vorgestellt. Sie produziert vor allem ein Kupferkonzentrat mit erheblichem Goldanteil sowie Schwefel, u.a. für die „Norddeutsche Raffinerie“, welche diese Rohstoffe weiterverarbeitet.
Medienreise Armenien, Teil 15
Täglich werden 500 – 600 t Erdreich verarbeitet, woraus ca. 1000 t Konzentrat im Monat hergestellt werden können. Diese Mine trägt zu 30 % des Haushaltes Berg- Karabachs bei. In ganz Arzach werden am Tag 1,5 MW Strom verbraucht, diese Mine benötigt etwa ein MW/ Tag. 900 Menschen aus 300 Dörfern und Städten arbeiten hier und erhalten ein recht hohes Gehalt von 400 € im Monat plus diverser Zuschläge nach Tätigkeitshärte. Da die Rohstoffvorkommen in 15 Jahren erschöpft sein werden, investiert diese Mine in ein Touristikprogramm und errichtet ebenso Häuser für die Angestellten, welche einen Kredit zu vier Prozent über diesen Zeitraum in Anspruch nehmen können.
Nach diesem Besuch wurden weitere Gebiete Arzachs in Augenschein genommen. Neben wilden Hanfgewächsen, wurden auch mit Hanf kultivierte Flächen gesichtet, welche wahrscheinlich dem zusätzlichen Erwerb dienen. Die Fahrt dauerte viele Stunden, schon weil die Straßen immer schlechter wurden. Wie an Schildern erkennbar war, wurden fast alle Straßen und zahlreiche Schulen sowie andere öffentliche Gebäude von Privatpersonen errichtet. Auf Nachfrage wird bestätigt, daß es sich hierbei um reiche Exilarmenier aus Frankreich, den USA und Rußland handelte. Viele Dörfer waren verlassen worden oder lagen in gesperrten verminten Bereichen. Dies war im wesentlichen auch ein Grund weshalb die freie Auswahl der Orte zwecks Aufnahme der sozialen Situation und zum Anfertigen von Interviews immer wieder eingeschränkt wurde.
Medienreise Armenien, Teil 16
Als vom Kloster in Gandzasar, wo die Symbolik des frühen Christentums zu einer eigenartigen Synthese des jüdischen Sterns mit dem linksdrehenden Sonnenrad geführt hatte , nach Stepanakert zurückgefahren und im Dorf Ajgestan ein Halt gemacht wurde, stellte es sich als außerordentlich schwierig heraus ein umfassendes Bild der Situation der Menschen zu erstellen. Festgestellt wurde, daß das soziale Umfeld zu sozialer Deprivation führte und durch ungenügende Bildung und mangelnde Sprachkenntnisse zu erheblicher Kommunikationserschwernis führten.
Zudem scheint in den kleinen Dorfgemeinschaften die soziale Kontrolle so stark zu sein, daß Frauen wie Anush und Anna kaum detaillierte Informationen über die gesellschaftliche Mikroebene liefern können und wollen. Da zahlreiche Bewohner dieser Dörfer außerdem selbst einen Migrationshintergrund haben, verfügen sie kaum über Wissen über Dorfstrukturen und können somit auch keine Verortung der persönlichen Situation im Gesamtkontext der Region vornehmen. Dieser Umstand ist auch in anderen Regionen in Arzach und Armenien verbreitet.