Medienreise Armenien

Patriotische Armenier

Die Armenier sind sehr patriotisch und zeigen dies beständig. Ausgeschlossen fühlt man sich hingegen nicht. Liebenswert wird man sofort in die Strukturen integriert und kann so an allen Aktionen mit teilnehmen. Im Gegensatz zu dem manchmal fragwürdigen Auftreten deutscher Jugendlicher bei öffentlichen Veranstaltungen, sind die Armenier sehr diszipliniert und konsumieren kaum Alkohol oder Drogen. Nur geraucht wird von den männlichen Bürgern Armeniens stark und so auch von den Schülern. Viele Mädchen beschweren sich sogar über die Unmoral des Westens und das auch schon armenische Mädchen „obszönes“ Verhalten kopieren und sogar anfangen zu rauchen. Vielleicht wurden hier schon die ersten konfliktreichen Risse einer Transformationsgesellschaft in der Zukunft deutlich. Dem Anspruch nur das Gute des Westens übernehmen zu wollen und so das eigene Armeniertum zu verbessern, stehen die Realitäten einer globalisierten Welt gegenüber, welche die Angst schüren die eigene Identität zu verlieren.

Ende einer Reise

Leider mußte man am Abend aufbrechen um das Flugzeug in Yerevan zu erreichen, welches in der Nacht zum 29. startete. Kurz bevor man aufbrach erschütterten aktuelle Meldungen wieder das gewonnene friedliche Bild und riefen in Erinnerung, daß dies ein Krisengebiet war. So wurde vermeldet, daß am 22.06. nicht nur Polizisten von der Mafia erschossen wurden, auch der Sohn eines reichen Politikers wurde als Racheakt auf offener Straße ermordet. Eine Frau, welche zufällig vorüberging wurde ebenfalls Opfer. Auch die armenisch- russischen Beziehungen sollen sich verschlechtert haben. So werden in Rußland als Folge der gestiegenen Fremdenfeindlichkeit, wahrscheinlich im Zuge des Tschetschenienkrieges, immer wieder Kaukasier ermordet. Zunehmend trifft dies auch Armenier, welche zudem noch den Neid aufgrund ihrer Geschäftstüchtigkeit zu ertragen haben. Eine bekannte Armenierin machte deshalb an diesem Tag einen Hilferuf öffentlich, weil ihre Tochter in Rußland aufgrund ihres Aussehens nicht mehr auf die Straße gehen könne.

Nachtrag Arzachkonflikt:

Die Armeen Armeniens und Arzachs sind in Struktur, Uniform und bezüglich der Rekrutierungspraxis eng aufeinander abgestimmt. Sie und die von Armeniern besetzten Gebiete, von denen die neue BTC- Pipeline und die Wasserreservoirs Aserbaidschans zerstört werden könnten, stellen einen Eckpfeiler der Sicherheitspolitik der Armenier dar. Sie verkomplizieren aber die Lösung des eingefrorenen Konfliktes, weil er zum einen durch das Engagement externer Akteure immer stärker internationalisiert wurde und zum anderen die Entwicklung des Gesamtraumes durch den ungeklärten Status nachhaltig behindert wird. Letzteres wiederum schafft in der Folge Strukturen, welche durch eine Friedenlösung selbst gefährdet werden und deshalb kein Interesse an einer Klärung des Status´ besitzen, aber auch eine Art Notverwaltung, welche in ihrer Entwicklung letztendlich soweit fortgeschritten ist, daß sie vom Kriegsgegner Aserbaidschan als definitiver Affront gewertet werden muß.

Kein echter Friede in Sicht

So bot zwar Armenien die Rückgabe der besetzten Gebiete an, wenn Arzach anerkannt und eine Verbindung nach Armenien eingerichtet würde. Dies wurde aber abgelehnt. Inzwischen existiert quasi jedoch schon eine de facto Lösung durch einen de facto „Staat“ Arzach. Die bisherigen Lösungsvorschläge internationaler Gruppen berücksichtigten die inzwischen hochkomplexe Lage, welche sich seit 12 Jahren tatsächlich etabliert hat, nicht ausreichend. Vor allem aus diesem Grund existiert in Arzach kein Vertrauen mehr in die OSZE/ Minsk- Gruppe diesen Konflikt, aufgrund des Eigeninteresses der beteiligten Akteure, lösen zu können. Die Meinung des Auslandes bzgl. dieses Konfliktes ist den meisten Armeniern inzwischen egal, viele wollen am besten die Anerkennung mit den Gebieten, welche erobert wurden. So findet man in Arzach bereits Karten mit den neuen Gebieten und Armenien zusammen. Auch die Fahnen Armeniens und Arzachs sind sehr ähnlich.

Unabhängigkeit oder Vereinigung?

Viele Arzacher sehen zum Teil gar keinen Unterschied zwischen Unabhängigkeit und Vereinigung mit Armenien. Nach über zehn Jahren ungeklärter Verhältnisse sind die Interessen zur Lösung des Konfliktes so vielfältig, daß ein simpler Gebietsaustausch kaum eine befriedigende Alternative für beide Konfliktparteien sein wird. Realistischerweise muß auch die finanzielle Seite eines solchen Abkommens geklärt werden. So sind ja auch von Aserbaidschan armenische Enklaven und Teile Arzachs besetzt und, wie in Sumgait und Baku, ethnisch gesäubert worden. In Armenien existieren 300000 Flüchtlinge aus Nachitschevan, Aserbaidschan und Berg- Karabach, in Aserbaidschan etwa eine Million aus den armenisch besetzten Gebieten und Arzach. Eine Regelung dieser Situation dürfte beide Staaten finanziell überfordern, weshalb auch den regelmäßigen Treffen der Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans in den Augen vieler Armenier nur wenig Bedeutung zukommt.