Medienreise Armenien, Teil 5
Bei einem Interview mit den Bewohnern dieser Trümmer wird festgestellt, daß es sich hierbei um flüchtige Armenier aus Baku handelt. Seit über zehn Jahren vegetieren sie in dieser Umgebung dahin, sie sind weder integriert, noch scheint in dieser Gegend eine Perspektive für sie zu bestehen. Auf die wenigen Nahrungsmittelhilfen angewiesen, stellt sich die Frage, wie diese Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Hierzu erklärt der zweite Dolmetscher Ashot, daß dieses Schicksal nicht ausschließlich diese Flüchtlinge trifft. In ganz Armenien und Arzach sind die Menschen äußerst arm und verschuldet. Das Geld zum Leben wird geborgt, um danach die Schulden mit erneuter Geldleihe abzahlen zu können. Diese Situation muß Schmuggel, Arbeitsmigration und Diebstahl zur Existenzsicherung begünstigen, sich vor allem aber positiv auf sonstige „illegalen Arbeit“ auswirken. Dieser Sektor ist in Armenien inzwischen sehr bedeutend, entzieht sich jeglicher staatlicher Kontrolle und schafft damit ungünstige gesellschaftliche Gesamtstrukturen. In Arzach kommt die strukturelle Unsicherheit aufgrund des Waffenstillstandes als Entwicklungshemmnis hinzu.
Medienreise Armenien, Teil 6
Ashot selbst kommt aus einer kleinen armenischen Grenzstadt und berichtet, daß dieser Waffenstillstand schon an der offiziellen Staatsgrenze nicht hält, wie sollte dies dann in Arzach möglich sein?!
Nach der Einfahrt in Stepanakert trennten sich die Journalisten von der Gruppe und gingen so einem anderen Programm nach. Die verbliebenen Mitglieder mit dem Dolmetscher Ashot bezogen eine andere Unterkunft und bereiteten sich auf die Treffen mit Regierungsvertretern Arzachs vor. Aus zahlreichen Gesprächen ging hervor, daß viele Armenier das Gebiet Arzach kaum kennen.
Dies scheint vor allem mit den schlechten Straßen und der damit verbundenen beschwerlichen Reise zusammenzuhängen, aber auch weil in dieser Region ein eigenes Visaregime eingerichtet wurde. Zwar wird der armenische Dram akzeptiert und armenische Pässe an die Bewohner Arzachs ausgegeben, aus politischen Gründen ist eine vollständige Integration Armeniens und Arzachs allerdings nicht möglich. Zusätzlich behindert wird der Austausch zwischen den armenisch besiedelten Gebieten von kulturellen Eigenheiten der Arzacher und teilweise selbst für Armenier unverständlichen Sprachdialekten.
Medienreise Armenien, Teil 7
Für Ausländer bedeutet es nicht nur ein zusätzliches Visa für die „Republic of Nagorno- Karabakh“, sondern auch zahlreiche Akkreditierungen und Registrierungen.
Vom „Außenministerium“ wurde ein Wagen, Fahrer und der Mitarbeiter Karen Vanyan zur Verfügung gestellt. Über diesen Mitarbeiter konnten die Treffen ab dem 19.06. organisiert werden. Am Morgen dieses Tages fand ein solches mit dem „Außenminister“ Georgiy Petrossian statt. Es wurde nicht nur die allgemeine Lage Arzachs im Kontext der politischen Beziehungen im Transkaukasus besprochen, sondern auch die Rolle der Frauen im Prozeß des Krieges und der nachherigen Etablierung eigener staatlicher Strukturen. Nach diesem Treffen wurde der „Entwicklungsminister“ Arzachs konsultiert.
Auch während dieses Gesprächs wurde deutlich, daß jede wirtschaftliche und politische Entwicklungsmöglichkeit Arzachs vom zu klärenden Status des Gebietes abhängt. Die wirtschaftliche Entwicklung kann insoweit präzisiert werden, als das es Hinweise auf eine Subsitenzwirtschaft gibt und ökonomische Integration das Gebiet intern aber auch grenzüberschreitend betreffend, nicht oder nur auf niedrigem Niveau existiert. Ohne internationale Klärung des Status´ Arzachs wird dies langfristig zum typischen ökonomischen Merkmal gehören, wie auch die damit konfligierende Generierung der finanzieller Mittel durch Primärexportgüter.
Medienreise Armenien, Teil 8
Durch Zufall kann an diesem Tag zudem Herr Bernhard Clasen, welcher für eine internationale Arbeitsgruppe für Vermißtenfragen arbeitet und sich im Gebiet aufhält, getroffen werden. Seit über zehn Jahren setzt sich diese Arbeitsgruppe für den Austausch von Kriegsgefangen ein und genießt das Vertrauen der armenischen wie der aserischen Seite. So besitzt sie Zugang zu allen Gefängnissen und Kasernen der Konfliktparteien. In Armenien wie auch in Aserbaidschan wurden die Bemühungen dieser Organisation teilweise konterkariert.
So wurde den Kriegsgefangenen in beiden Ländern nach ihrer Rückkehr der Prozeß wegen Verletzung militärischer Pflichten durch „Entfernung von der Truppe“ gemacht. In Aserbaidschan werden diese Männer, welche teilweise seit zehn Jahren im Gefängnis saßen, als Verräter diskriminiert. Nachdem die Verurteilungen zu etwa zwei Jahren Haft in Armenien meist frühzeitig aufgehoben wurden, mußten die aserischen Soldaten für durchschnittlich zehn Jahre ins Gefängnis. Aserbaidschan will damit ein Exempel für die Zukunft statuieren und lehnte einen Dialog, welcher von Herrn Plattfoeth initiiert worden war, ab.