Medienreise Armenien

Stille Ecken in Yerevan

Noch allerdings existieren kleine verwinkelte Viertel, mit typischen Cafes und den kleinen Wasserstellen, an denen ein jeder seinen Durst zu stillen vermag. Auch die Straßen, welche völlig überlastet sind, befinden sich hier in miserablen Zustand. Der öffentliche Nahverkehr ist fast völlig zusammengebrochen, eine Straßenbahn existiert gar nicht mehr. So ist diese Dienstleistung fast vollständig privatisiert worden. Die kleinen Maschrutkas nehmen den Transport für durchschnittlich 1000 Dram (2 €) in der Stadt wahr. Die Opern, Museen und die zahlreichen Denkmäler Yerevans gehören selbstverständlich zu den Zielen der kleinen Gruppe, welche in dieser heißen Stadt per pedes nur langsam vorwärts kommt. An einem solchen Denkmal tritt ein alter Mann zur Gruppe und berichtet begeistert von den deutschen Kriegsgefangenen, welche dieses Denkmal in „typisch deutsche Weise- akkurat und perfekt“ errichteten.

Zum wiederholten Male wurde man mit einem Bild konfrontiert, welches zu großen Teilen aus Klischees besteht, in Armenien aber weit verbreitet ist und durch Mythen gepflegt wird. Während die Russen belächelt und die US- Amerikaner verachtet werden, kennt die Begeisterung für das vermeintlich typisch deutsche kaum Grenzen.

DDR Ikarus Bus in Armenien

So wies beispielsweise ein Busfahrer seine Frau an, in einem Ikarusbus, welcher aus der DDR gekauft worden und damit deutsche Wertarbeit war, alle Bezüge über Nacht zu waschen, weil die Deutschen so ordentlich und sauber seien.
Rosanna, die Begleiterin, berichtet in einem kleinen Café über ihre Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft. Vor allem die Bekämpfung von Drogen und Frauenhandel steht zur Zeit im Mittelpunkt der Bemühungen. Rußland spielt im Drogen-, Organ-, und Frauenhandel eine wichtige Rolle für die kriminellen Akteure in Armenien. Viele russische und ukrainische Frauen sind zudem in den Etablisments und Nachtklubs der Hauptstadt beschäftigt. Als man am Abend aus der Stadt zurückkehrte, wurde man mit den alltäglichen Problemen der Menschen konfrontiert.

Das Wassernetz in Yerevan

Das marode Wassernetz, die vielen Wasserläufe der Stadt und der abnorme Verbrauch der privaten Haushalte führten zu mehrstündigen Wassersperren. Die Situation für die Haushalte ist absurd. Zu den Zeiten in denen Wasser zur Verfügung steht, werden Badewanne, Töpfe etc. für die Mangelzeit gefüllt. Eine Möglichkeit das Wasser mit dem Hahn abzustellen besteht indes nicht. Wenn alle Gefäße gefüllt sind, läuft das wertvolle Naß ungenutzt literweise in den Ausguß. Ashot bietet private Nachhilfe in Deutsch und Englisch an. Das positive Bild der Deutschen bekommt nun Risse, als die „neuen“ Unterrichtsmaterialen präsentiert werden. Die neuen Rechtschreibregeln, welche nach der letzten Änderung wiederum veraltet sind und nur für große Verwirrung gesorgt haben, sollen den Lernwilligen erklärt werden.

Deutsche Sprache – Schöne Sprache

Begeistert berichten Schüler und Lehrer über die Logik der deutschen Sprache, über ihre Liebe zu Grammatik, zu deutschen Dichtern und der Herausforderung diese Sprache beherrschen zu wollen. Obwohl auch Englisch gelernt werden kann, ist diese „regelfreie“ Sprache zu banal und somit nicht so interessant. Warum nun im Deutschen Entgleisungen wie „sss“ und ähnliches erlaubt sein sollen, kann den verdutzten Armeniern nicht erklärt werden, wie auch die Regeln der Anwendung von Schreibweisen nicht. Diese Situation war peinlich und schien das Bild, daß die Deutschen zuerst denken und dann logisch handeln, nachhaltig zu beschädigen.
Am 24.06. sollte der Sewansee besucht werden. Bei dieser Gelegenheit konnte der Name dieses Sees eruiert werden. Als einige Armenier vom Vansee (Westarmenien, heute Türkei) nach Norden zogen, fanden sie diesen 2000 m hoch gelegenen See.

Klima am Vansee

Da Klima und Wind aber nicht denen des Vansees entsprachen, ja schlechter waren, nannte man diesen See „Sev Van“. Sev heißt soviel wie schwarz und ist negativ akzentuiert. Der „schlechte See“ mit der gleichnamigen Stadt wurde im Lauf der Zeit zum Sevvan und so zum Sewan. Ganz so schlecht präsentiert sich dieser See den Besuchern aber heute nicht. Nach zwei Stunden Fahrt von Yerevan erreichte man diesen kalten See, mit enormer Sonneneinstrahlung. Äußerst delikat sind die endemisch vorkommenden Sewanforellen, welche natürlich verkostet wurden. Auch die kleinen Kirchen auf einer Landzunge sind einen Besuch wert. Die Geschichte Jesu wird hier in einer Bildfolge erzählt. Bemerkenswert ist, daß diese Bildhauerei während des Einflusses von Turkmongolen entstanden sein muß, da Jesu in typischer mongolischer Physiognomie dargestellt ist.

Schule in Armenien

Im Gespräch mit den armenischen Begleitern wird das Schulsystem Armeniens erklärt.
Erst in diesem Jahr wurde für die erste Klasse eine zwölfjährige Schulzeit eingeführt. Sie stellt den Übergang zu einem dreistufigen Schulsystem dar und löst die zehnjährige Schulzeit ab. Die Schüler gehen bis dahin mit einem Durchschnittsalter von 16 Jahren auf die Universität. Allerdings ist auch der Lehrbetrieb in Schulen und Hochschulen „privatisiert“ worden. Lehrer empfehlen inzwischen ihre Kollegen für kostenpflichtige Nachhilfe der Schüler und machen teilweise ein Bestehen der nächsten Prüfung vom Besuch der Nachhilfe abhängig.
Nach einem herrlichen Tag, allerdings mit Sonnenbrand, wurde dieser vom Sieg der deutschen Fußballelf gekrönt, welchen man im armenischen Fernsehen verfolgen konnte. Auch die Armenier hielten den Deutschen die Daumen.

Deutsche Fußballfans in Yerevan

In Arzach hatte ein Weinbauer beim letzten Sieg der deutschen Mannschaft sogar einen über 20 Jahre alten Wein spendiert, weil ein ehemaliger Fußballgegner Armeniens bezwungen worden war.
Die Tage in Yerevan neigten sich dem Ende, weil am 25.06 nach Gyumri verlegt werden sollte, wo man auch Kontakt zur Jugendgruppe herstellen wollte. Übernachtet wurde jedoch wieder bei einer armenischen Familie, bei welcher man herzlich aufgenommen wurde. Sofort wurde die Stadt gezeigt, die noch immer unter den Folgen des Erdbebens von 1986 leidet, allerdings gab es doch eine rege Bautätigkeit. Auch in Gyumri existieren Verschwörungstheorien bezüglich dieses Erdbebens. So sollen aufgrund der bereits damals latent existierenden ethnischen Konflikte zwischen Aseri und Armeniern, aserische Wissenschaftler vom Forschungszentrum Baku das Erdbeben künstlich verstärkt haben, um viele Armenier zu töten.

Sowjetische Atomforschung

Angeblich forschte die SU an einer Möglichkeit mit Atombomben Erdbeben künstlich hervorzurufen oder sie zumindest zu steuern und zu verstärken. Da eine Forschergruppe, welche die Folgen des Erbebens untersuchen sollte, mit dem Flugzeug abstürzte und deshalb die Untersuchungsergebnisse vernichtet wurden, bestätigte dies die Theorie für die Armenier. Noch immer fordern zumindest die einstürzenden Gebäude zahlreiche Todesopfer. Beschwert wurde sich wiederholt über die armenische Exekutive. Die Polizisten, welche willkürlich Geld eintreiben, herrschten hier wie kleine Könige. Aber auch Bürgermeister und Schuldirektoren, alle plazieren Familienmitglieder in entsprechenden Positionen und sollen über Kontakte zur Mafia verfügen. Ihr Lebensstil unterscheidet sich deutlich von dem ihre Mitmenschen. Auch der Benzinhandel Armeniens wird von zwei bekannten Personen sichergestellt, welche jede Woche die neuen Preise festlegen und sehr reich sind. In diesem Zusammenhang wird auch erklärt wie man in Armenien Präsident wird.

Präsidentenwahl in Armenien

Zunächst benötige man viel Geld um die Unterstützung der Bevölkerung und einflußreicher Gruppen zu erhalten, danach hat man zwei Legislaturperioden zu je vier Jahren Zeit zu regieren. Dies zahle sich aus, weil in dieser Zeit die eingesetzte Summe vervielfacht wieder amortisiert wird. Da nächstes Jahr Präsidentschaftswahlen anstehen und Kotcherian laut Verfassung nicht mehr antreten darf, sei man bereits sehr gespannt, wer über die nötigen Summen verfüge.
Am nächsten Tag wurden einige Projekte von NGOs besichtigt, so zum Beispiel das Jugendprojekt „Birds of Armenia“, welches mit internationaler Unterstützung die Vogelwelt Armeniens zu schützen sucht. Gefährdet werden diese nicht nur durch Fang, vor allem der seltenen Adler. Auch die Umweltverschmutzung trägt hierzu bei. So findet man in Armenien überall wilde Müllkippen, welche später abgefackelt werden, und die Vernichtung von Lebensraum durch Holzeinschlag. Besucht wurde zudem ein „Rotes Kreuz“ – Krankenhaus.

Zu Besuch beim Roten Kreuz

Es handelte sich hierbei um ein Hotel „Deutsches Haus“ mit einer Kinderpolyklinik. Die am Abend einsetzenden Regenschauer machten die Luft klar und kühlten. Nun war auch der Berg Gyumris zu sehen. Schaut man von Yerevan auf den mittlerweile in der Türkei liegenden Ararat, so blickt man von Gyumri auf den Aragat. Dieser ist über 4000 m hoch und wird meist durch die Luftverschmutzung verdeckt.

Der 27.6. diente der Begleitung des Jugendprojektes in Gyumri. Neben deutschen, tschechischen und armenischen Jugendlichen, waren auch Georgier anwesend, welche zu ihrem Land befragt werden sollten. Die meisten wollten sich zu Politik und Gesellschaft gar nicht äußern, nur ein Mädel erwähnte vorsichtig, daß Saakashvili nur wenig von dem macht, was er versprach. Aber er leistet angeblich immer noch mehr als Schewardnadse. Da dieses Projekt nicht den Vorstellungen des Autors entsprach, begab er sich lieber unter die Menschen Gyumris und sammelte Eindrücke dieser gemütlichen Stadt. Am letzten Tag des Besuches feierten die Schüler dieser Stadt auch ihren letzten Schultag auf dem zentralen Platz Gyumris. Zunächst hatte man sich im Stadtpark unter dieses junge Volk gemischt und nahm den ganzen Tag an den Feierlichkeiten mit Gesang und Tanz teil.