Medienreise Armenien, im Juni 2006. Gemeinsam mit Portal e.V. organisierte die Redaktion eine Reise zusammen mit Journalistenkollegen aus dem Hörfunkbereich. Gefördert wurde die Medienreise durch die gemeinnützige Stiftung West-Östliche Begegnung (WÖB).
Teilnehmer der Medienreise Armenien war u.a. Dominique Böhme. In einer wissenschaftlichen Arbeit beschrieb der Doktorand der TU-Dresden seine Eindrücke:
Medienreise Armenien, Teil 1
In Kaukasien sollen nicht nur die ältesten Menschen, sondern auch die schönsten Damen der Welt wohnen. Zumindest für Armenien scheint letzteres zuzutreffen, so der erste Eindruck als am 16./ 17.6. in Yerevan gelandet wurde. Nach einem kurzen organisatorisch bedingten Ausflug nach Gyumri, wo eine Jugendgruppe ein interkulturelles Treffen organisierte, wurde der Tag in Yerevan verbracht. Am nächsten Tag sollten dann einige deutsche Journalisten aufgenommen und gemeinsam nach Berg- Karabach verlegt werden. Dieser „schwarze Garten“ wird im armenischen auch Arzach genannt.
Bis in den Abend konnte jedoch zunächst die Hauptstadt Armeniens besichtigt und mit einigen Menschen ins Gespräch gekommen werden. Erstaunlich viele Menschen sprechen gutes Deutsch, daß allerdings so ungewöhnlich nicht ist, denn Armenier wuchsen meist trilingual (arm./ ru./ engl. oder deutsch) auf. Als mit dem Autohändler Michael gesprochen wird, weißt er daraufhin, daß die US- Amerikaner mithören könnten. Auf Nachfrage wird erklärt, daß die Bespitzelung aus der US- amerikanischen Botschaft heraus erfolgen soll.
Medienreise Armenien, Teil 2
Die Blockade der umliegenden Turkstaaten wirkt sich negativ auf den Autohandel aus. Zum einen ist so kein Handel über Aserbaidschan und die Türkei möglich, zum anderen nutzen der Iran und Georgien diese Situation durch hohe Zölle aus. Zwar ist der Handel über den Iran einfacher als über Georgien, sämtliche Zahlungen werden aber in iranischer Landeswährung getätigt, welche wiederum nur im Iran akzeptiert ist. Ein Umtausch ist aus ökonomischen Gründen unsinnig. In Georgien bestehen andere den Handel erschwerende Probleme. So kostet der Weg eines Frachtcontainers von Deutschland bis zur georgischen Grenze etwa 1000 US- Dollar. Von Batumi bis zur 200 km entfernten armenischen Grenze verlangen die georgischen Behörden dann angeblich 1500 US- Dollar.
Die armenische Dolmetscherin für armenisch- deutsch wurde ebenso an diesem Tag getroffen, um die Reise nach Arzach, von welcher sie bereits einen Monat wußte, abschließend zu besprechen. Nachdem sie als Hinderungsgründe ihren Freund und die zahlreichen männlichen Reisenden genannt hatte, erklärte sie später am Telephon, daß ihr Vater einen Herzschlag hatte und sie deshalb nicht in dieses Krisengebiet reisen könnte.
Medienreise Armenien, Teil 3
Erstaunlich schnell wurde von den armenischen Kontaktpersonen ein adäquater männlicher Ersatz organisiert. An diesem Abend übernachtete man bei einem armenischen Kontaktmann, welcher ebenfalls als Dolmetscher für armenisch- englisch tätig war und den deutschen Journalisten zur Verfügung stehen sollte. Arman war ein georgischer Armenier aus dem Gebiet Samshe- Jevakheti. Auf Saakashvili angesprochen äußerte er sich sehr skeptisch. Der jetzige georgische Präsident sei alles, aber kein Politiker.
Aufgrund der zunehmenden Verspannungen zwischen Georgien und Rußland gehen zahlreiche Menschen von einer in naher Zukunft stattfindenden russisch initiierten Revolution gegen ihn aus, nachdem die USA dies 2003 erfolgreich demonstriert hatten.
Als am 18. Juni die inzwischen vervollständigte Reisegruppe nach Arzach aufbrach, wurde die genannte Befürchtung von einem aktuellen Ereignis untermauert. Aufgrund des Referendums in Montenegro trafen sich führende Politiker Transnistriens, Abchasiens und Südossetiens um das weitere Vorgehen im bezug auf eine vollständige Sezession von ihren Mutterländern abzustimmen. Rußland gilt als Schutzmacht Abchasiens sowie Südossetiens und hat dort bereits ein eigenes Visa- und Finanzregime errichtet.
Medienreise Armenien, Teil 4
Auf der Fahrt nach Arzach passierte man zudem die Stadt Goris, in welcher ebenfalls die russische Macht im Transkaukasus demonstriert wurde. Goris gilt als wichtiger russischer Stützpunkt in Armenien an der Grenze zum Krisengebiet Arzach und den es umgebenden Korridor und Puffer. Von den Bergen sind die zahlreichen Kasernenbauten unter russischen Standarten zu sehen, welche inzwischen auch verlegte russische Truppenteile aus Georgien beherbergen. Auf diesem Weg konnte der Latshin- Korridor passiert werden, welcher 1994 den Ausgangspunkt für die armenische Großoffensive gegen Aserbaidschan bildete.
Nun war es nicht mehr weit bis zur Stadt Shushi (Susa), welche als Bergfestung die Hauptstadt Arzachs Stepanakert gegen Westen schirmte. Das ehemals von Aseri bewohnte Städtchen, von welchem das Artilleriefeuer auf Stepanakert erfolgte, ist immer noch schwer vom Krieg gezeichnet. Inzwischen ethnisch homogen mit Armeniern bewohnt, rotten die zerstörten Reste der Moschee vor sich hin, während die Kirchen in neuem Glanz erstrahlen. Diese Kirchen wurden mit dem Geld von Exilarmeniern wieder errichtet. Sie wirken bizarr in einer Umgebung, welche fast ausschließlich aus Ruinen besteht.