Februar 2011: Die Ereignisse in Tunesien und Ägypten haben auch östlich des Jordans ihre Spuren hinterlassen. Durch die Unruhen versiegte die wichtigste Einnahmequelle des Landes: der Tourismus. Vielen Menschen fehlt damit ihre Überlebensgrundlage.
Die Revolution in Jordanien dauerte nur wenige Tage. Das Ergebnis erfährt Reiseleiter Mohamed Abdelhaq in diesen Tagen aus der Zeitung: Der König hat eine neue Regierung eingesetzt – die alte war gerade mal drei Monate im Amt. Noch ist das Land weit entfernt von Normalität. Seit dem Umbruch in Nordafrika haben Reiseleiter wie Mohamed Abdelhaq viele freie Tage. Dabei beginnt im Reiseland Jordanien jetzt eigentlich die Hauptsaison.
Wegen der Lage in Ägypten seien fast alle Reisen storniert worden, erklärt er. Viele der Gäste machten im großen Nachbarland Urlaub und besuchten Jordanien dann für ein paar Tage. Doch aus Ägypten komme niemand mehr. Dem Fremdenführer haben gleich zwei Reisegruppen aus Amerika abgesagt. Jetzt will er die Zeit nutzen und neue Kontakte im Land knüpfen.
In Aqaba liegt der einzige Seehafen des Landes. Normalerweise stehen an den Schiffen Touristen Schlange für eine Bootsfahrt. Für ein Land ohne Bodenschätze sei der plötzliche Einbruch katastrophal, sagt Mohamed.
Doch die ganze Region ist voneinander abhängig. Von Aqaba aus ist der Sinai in Ägypten genauso zu sehen wie die israelische Hafenstadt Elat. Weil aus den großen Nachbarländern jetzt keine Tagesgäste mehr kommen, würden die Menschen hier besonders unter den Folgen des Umbruchs leiden, erklärt Mohamed. Die kleinen Anbieter und Straßenhändler leben von der Hand in den Mund. Ohne Besucher können sie nicht lange überleben. Auch der 13-jährige Ahmed wartet auf Kunden. Er müsse mit dem Verkauf die Familie unterstützen, sagt er. Sein Vater arbeite auf einer Baustelle, aber jetzt habe er keine Arbeit mehr.
Tourismus am Meer und in der Wüste
Eigentlich wollten wir mit den Bootsbesitzern sprechen. Doch plötzlich hindert uns die Polizei: Ab sofort seien neue Genehmigungen zum Drehen nötig. Sie verbieten uns weiterzufilmen. Nach dem Regierungswechsel sind die Beamten unsicher, wer das Sagen hat und welche Gesetze gelten. Vielleicht nicht ohne Grund, denn jetzt in der Krise werden die Fehlentscheidungen der letzten Jahre deutlich: Viel wurde investiert, aber viel auch verschwendet. Seit Jahren steht in Aqaba ein gigantische Hotelkomplex am Roten Meer als Rohbau. Durch die Korruption der alten Regierung sind in diesem Objekt und anderswo mehrere hundert Millionen Dollar versickert.
Wir fahren weiter ins Landesinnere, zum berühmten Wadi Rum. Wer bisher vom Tourismus gelebt hat, steht vor einer schweren Zeit. Die kleinen Anbieter haben keine Reserven. In den letzten Jahren zog es immer mehr Touristen in die Einsamkeit der Wüste – zur Freude der Jordanier. 200 bis 300 Dollar konnten Reiseführer im Monat verdienen. Damit ernähren die jungen Männer ihre Familien – insgesamt zwölf Mitarbeiter hat das kleine Camp. Ohne Einnahmen wird es schwer für sie. Um die Hälfte seien ihre Einnahmen seit Beginn der ägyptischen Revolution zurückgegangen, sagen sie uns.
Auch die echten Beduinen, die noch immer hier leben, hatten in den letzten Jahren von den Urlaubern profitiert. Jederzeit können die Familien in ihren Zelten besucht werden. Doch um Touristen dauerhaft zurückzuholen, meint Reiseführer Mohamed, reiche Gastfreundschaft nicht aus. Jordanien brauche eine bessere Organisation und kontinuierliche Arbeit.
So müssten zum Beispiel die Besucherströme besser organisiert werden. In die Felsenstadt Petra kamen zuletzt gut zehnmal so viele Gäste wie vor 20 Jahren. Durch fehlende Koordinierung war das Wahrzeichen des Landes häufig überlaufen. Jetzt in der Krise genießen die wenigen Gäste die Ruhe.
Doch das kleine Jordanien ist abhängig von der Ruhe in den Nachbarländern. Nicht nur Mohamed hofft, dass bald wieder Touristen aus Ägypten kommen. Wenn Jordanien, wie geplant, bis 2015 25.000 neue Jobs in der Tourismusbranche schaffen will, muss die neue Regierung schnell beweisen, dass sie handlungsfähig ist. Die Fremdenführer haben ihre Hoffnung auf sie gesetzt.