Bulgarien: Zwischen Nationalismus und Patriotismus

Ob mit Hymne, volkstümlichen Trachten oder dem Züchten eines Nationalhundes – immer mehr Bulgaren möchten zeigen, wie stolz sie auf ihr Land sind. Nach Jahren der Europa-Euphorie ist nun wieder Patriotismus angesagt – auch wenn die Meinungen über sein ‚Gesicht‘ weit auseinander gehen.

In jedem Frühjahr verwandelt sich der Kindergarten im bulgarischen Smolen in eine Akademie für Patrioten. Die Kinder basteln Fahnen und fertigen Bilder jener Nationalhelden, die vor 130 Jahren gegen die türkische Besatzung Bulgariens kämpften.

Vorbild für die kleinen Patrioten ist der Volksheld Wassil Lewski. Mitte des 19. Jahrhunderts führte er den Widerstand gegen die Türken an und wurde schließlich hingerichtet. Noch heute bekommt er jeden Tag frische Blumen im Kindergarten.

Befreiung vom Türkischen Joch

Der Patriotismus gibt sich kämpferisch, auch wenn die türkische Gefahr seit über 100 Jahren gebannt ist. Kindergärtnerin Dantschewa trifft sich mit ihrem Onkel Blagoj Russkov. Er ist einer der bekanntesten Verfechter eines neuen Nationalstolzes. Als Konsul vertrat er Bulgarien in Japan, Ägypten und Europa und doch fühlt er sich in seinem Heimatdorf am wohlsten. Es wurde nie von den Türken erobert, schreibt er stolz in seinem Buch über den Patriotismus. Nach den Jahren der Europaeuphorie in Bulgarien spürt er eine Rückbesinnung.

Von seinem Fenster aus kann der ehemalige Diplomat über das Rhodopengebirge bis nach Griechenland sehen. Hier in der Provinz sei der Nationalstolz schon immer verwurzelt. Doch auch in der Hauptstadt Sofia denkt man wieder patriotischer. In das Gedenken an die Befreiung vor 130 Jahren mischen sich hier ganz neue Töne. Schlagersänger und Künstler engagieren sich für die nationale Sache. Der bulgarische Superstar Aziz hat eine eigene Fernsehshow und versteht sich als Patriot. Sein offene Bisexualität und seine anzüglichen Videos allerdings wirken so gar nicht volkstümlich. Für ihn kein Widerspruch, denn seine Musik habe eine bulgarische Seele, meint er.

Bilder vom echten Patriotismus

Doch weil er so gar nicht zum Bild des handfesten Kämpfers passt, gibt es um Aziz und andere erotische Patrioten einen handfesten Streit. Deren Bilder sollen nämlich nicht mehr in den staatlichen Büros hängen dürfen. Dafür hat im Städtchen Smolen die Bürgermeisterin Dorev Jankova eine Initiative gegründet. Statt der anzüglichen Plakate der Stars soll das Volk nur noch in herkömmlicher Tracht in den Büros der Verwaltung vertreten sein.

Der echte Patriotismus ist eben eine ernste Sache. Auch in der Hauptstadt Sofia beteiligt sich der Bürgermeister an der nationalen Wiedererweckung: Boris Borrisov will eine alte Hunderasse wieder neu züchten, denn ein stolzes Volk brauche einen eigenen Hund, meint er.