Bulgarien: Streit um Atomkraftwerk Belene

Dezember 2007: Im Norden Bulgariens bildet die Donau eine idyllische Grenze zu Rumänien. Doch am Ufer des Naturschutzgebietes wird jetzt eines der teuersten und riskantesten Bauwerke Europas wiederbelebt. Vor über 20 Jahren begann hier in Belene der Bau eines Atomkraftwerkes. Nach der politischen Wende wurden die Arbeiten eingestellt. Jetzt will das EU-Mitglied Bulgarien die sozialistischen Pläne vollenden. Mit Macht, Täuschung und gegen alle Vernunft.

Das Wirtschaftsministerium in Sofia erklärt das Atomkraftwerk Belene zur einer nationalen Aufgabe. Ohne zusätzlichen CO2-Ausstoß soll das Land unabhängig von Energieimporten gemacht werden. Somit könnte Bulgarien statt Energie einzukaufen dann Strom exportieren.

Sparen statt vergeuden

Dabei ließe sich die Abhängigkeit viel einfacher lösen: Der Pro-Kopf-Energieverbrauch ist in Bulgarien viermal höher als im EU-Durchschnitt. Rostige Leitungen, schlecht isolierte Häuser und alte Heizungen vergeuden 3/4 der Energie. Würde das eingespart, könnte sich Bulgarien schon heute allein versorgen.

Das Projekt sei nicht nur unsinnig, sondern auch gefährlich. Das behauptet einer der schärfsten Kritiker des Kraftwerkes, Dr. Gueorgui Kastchiev. Jahrelang selbst verantwortlich für die Reaktorsicherheit in Bulgarien, gilt er heute als Aussteiger der bulgarischen Atomlobby.

Tatsächlich soll hier in Belene immer wieder die Erde beben. Das Wirtschaftsministerium zeigt dagegen eine Studie des Geologischen Instituts. In Belene wurde kein einziges Beben registriert heißt es. Die nächste Erschütterung sei über 50 km entfernt registriert worden.

Erdbeben in der Region

Doch das ist gefährlicher Selbstbetrug, denn die Studie betrachtet nur 11 Monate im Jahr 2007. Im Städtchen Svichtov, nur 10 km vom Kraftwerk entfernt, tragen viele Gebäude Spuren von Erdbeben. Dadurch hat auch die Kirche mächtige Risse bekommen. In den Spalten nisten sogar die Tauben. Und jeder Bauherr der Gemeinde muss erdbebensicher bauen. Deshalb halten die Einwohner die Auskunft vom Ministerium für Manipulation.

Überall in der Stadt stehen Gedenktafeln, für die 120 Menschen die hier starben. Beim letzten großen Erdbeben von 1977.

Keine oder falsche Informationen. Das ärgert die kleine Bürgerbewegung, die sich gegen das Kraftwerk einsetzt. Denn viele Faktoren sprechen gegen den unsinnigen Bau, meinen die Aktivisten. So liegt Belene mitten im Überflutungsgebiet der Donau. Dadurch wird in manchen Jahren das Land kilometerweit überschwemmt. Deshalb bauten die Kommunisten Zufahrtsstraßen auf zwei Meter hohe Dämme.

Selbst die Verwaltungsgebäude und das Kraftwerk wurden nur auf Sand gebaut. Wie lange das standhält, ist fraglich. Die Plattenbauten jedenfalls, in denen eigentlich sozialistische Arbeiter leben sollten, sind schon nach zwanzig Jahren marode. Der Beton bröckelt, Platten haben sich gesenkt, sind gesprungen.

Hilfe der EU

Sollte das, mit milliardenschwerer Hilfe aus EU-Fonds, neu aufgebaut werden, verstieße die Union gegen ihre eigenen Beschlüsse. Denn die Gegend um Belene ist heute als Natura 2000-Gebiet ausgewiesen und geschützt.

Riskant, überflüssig und teuer, das Atomkraftwerk von Belene soll die EU über vier Milliarden Euro kosten. Das Geld müsste tatsächlich in Bulgarien investiert werden. In moderne Leitungen, isolierte Häuser und effiziente Heizungen. In einem Land, dessen Pro-Kopf-Energieverbrauch viermal höher ist als im EU-Durchschnitt, wird ein Atomkraftwerk sicher nicht gebraucht.