Bulgarien: Billiglöhne für Lehrer

September 2007: Erst kürzlich wurde der Mindestlohn in Bulgarien um 20 Euro auf 110 Euro angehoben. Trotz dieser neuen Regelung bleibt Bulgarien das ärmste Land in der EU. Auch Lehrer sollen mit nur 150 Euro Monatsgehalt ihre Familien versorgen. Weil das nicht geht, streiken sie für mehr Geld.

Auf diesen Tag haben die kleine Marina und ihre Mutter Tsvetelina lange gewartet. Zum ersten Mal packt Marina ihren Ranzen und die Mutter gibt ihr den traditionellen Segen mit auf den ersten Schulweg. Mit dem Schulanfang verbindet die Bulgarin große Hoffnungen.

Eingeschult wird Marina an einer Grundschule in der Stadt Plovdiv. Auch hier begeht man den ersten Schultag mit viel nationalem Pathos. Die bulgarische Fahne wird gehisst, die Nationalhymne erklingt und der Schulchor singt die Hymne der Schule. Doch was die Kleinen tatsächlich erwartet, wird dem hohen Anspruch kaum gerecht. Das Bildungssystem kriselt. So tragen viele Lehrer zur Schuleinführung eine weiße Schleife. Das bedeutet: hier wird gestreikt. Zumindest symbolisch –für die Feier der Kleinen wurde der Arbeitskampf noch einmal verschoben.

Geringe Löhne für Lehrkräfte

Gerade mal 150 Euro verdienen die Lehrer an dieser Schule im Monat. Auch in Bulgarien ist das kaum genug zum Leben. Die Schulleitung verdient kaum mehr, die Direktorin darf als Arbeitgeberin aber nicht mitstreiken. Sie ist froh, dass ihre Kollegen zur Schuleinführung noch einmal arbeiten.

Dass eine Lehrerin oft weniger verdient als eine Verkäuferin oder Sekretärin, wissen auch die Eltern. Die Meinungen sind geteilt über den drohenden Streik, bei dem die neuen Bücher erstmal in der Tüte bleiben müssten.

Doch gerade die schlechte Bezahlung hat für die Schüler Konsequenzen. Denn so sind ihre Lehrer gezwungen doppelt zu arbeiten. Auch Mitstreikende Valja Rasheva empfängt am Nachmittag Schüler zum Privatunterricht. Zehn Euro bezahlt Nesli Hjussein ihr pro Sitzung. Die Folge: Weil Schule und Lehrer überfordert sind, schaffen nur diejenigen die Prüfung, die auch wirklich Privatunterricht nehmen. Wer nicht bezahlt, hat kaum eine Chance. Der Förderunterricht ist teuer.

Teure Extrastunden fürs Weiterkommen

Mit dem oft veralteten Schulwissen schaffen Jugendliche selten den Sprung auf die anspruchsvollen Universitäten. Denn die verlangen, anders als normale Schulen, mittlerweile internationales Niveau von ihren Studenten. Nesli Hjussein ist Klassenbeste und braucht trotzdem Zusatzunterricht. Ihre Freundin Margarita hat bereits einen Studienplatz – auch sie nur mithilfe teurer Extrastunden.

Schuld daran sei das alte Schulsystem, klagen viele Schüler. Fächer können nicht abgewählt werden, vertiefendes Fachwissen gibt es nur gegen Bares.

Von dem ungerechten System erfahren die Erstklässler heute natürlich nichts. Zur Schuleinführung gibt es traditionell Brot mit Honig. Doch nur wer teuere Zusatzstunden bezahlen kann, wird dieses Schulsystem auch in Zukunft genießen können. Zu ändern wäre das nur mit höheren staatlichen Zuschüssen für moderne Bücher, straffe Lehrpläne und ordentliche Gehälter für Lehrer. Grundschullehrerin Valja Rasheva hofft durch ihren Streik auf 20 Prozent mehr Lohn.

Konkrete Angebote des Ministers gibt es noch nicht. Ob ab morgen die Schulbänke tatsächlich leer bleiben, soll kurzfristig entschieden werden.