September 2008: In bulgarischen Dörfern drohen Häuser einzustürzen. Das Trinkwasser ist stark verschmutzt. Grund dafür ist der illegale übermäßige Sand- und Goldabbau. Die Einwohner und Umweltschützer wehren sich. Sie wollen das Recht auf ihrer Seite haben – für sich und die Natur. Der Kampf gegen die korrupte Bürokratie scheint jedoch aussichtslos zu sein.
Dem Fluss Maritza in Südbulgarien rücken seit über zehn Jahren die Bagger auf den Leib. 10.000 Tonnen Kies wurden in der Region für große Bauvorhaben abgebaut – weit mehr, als für die Natur und die Menschen gut ist. Durch den Raubbau sind dort und an anderen Flüssen in Bulgarien die Wasserpegel dramatisch gesunken. Ein Einwohner des nahen Dorfes erinnert sich, dass das Wasser vor zwei Jahren zwei Meter höher stand. Nun bekommt die Brücke Risse, sie ist einsturzgefährdet. Noch schlimmer hat es die Menschen im Dorf Eritza getroffen. Weil das Grundwasser sinkt, entstehen unterirdische Hohlräume. Die Häuser bekommen schwere Risse. 46 Häuser drohen einzustürzen und stehen trotz gutem Fundament teilweise schief, denn durch den Sandabbau senkt sich der Boden.
Sand bringt Millionen ein
Das Problem: Die Baufirmen überschreiten die genehmigten Fördermengen bei weitem. Kontrollen gibt es nicht. Umweltaktivisten vermuten, dass korrupte Politiker den Raubbau aktiv unterstützen. Kostadin Ditschev von der Organisation „Green Balkan“ erzählt, dass der Landwirtschaftsminister selbst privat Sand abbauen ließ. Die Sandberge blieben und könnten bei einem Verkauf Millionen einbringen.
Die Arbeiter wissen, dass der übermäßige Abbau illegal ist und hören auf, sobald sie eine Kamera bemerken. Wir wollen wissen, wer von den riskanten Kiesgeschäften profitiert und folgen einem der Transporter. Zu unserer Überraschung ist es gerade eine deutsche Firma, die die laschen Umweltbestimmungen in Bulgarien ausnutzt, um billig zu bauen. Der Fahrer bestätigt uns, dass Flusskies verbaut wird.
Es gibt noch mehr ausländische Firmen, die die Umwelt in Bulgarien gefährden. Ein kanadisches Unternehmen betreibt die Chelopech-Mine im Zentralbalkan. Dort wird nach Kupfer und vor allem nach Gold gesucht. Gewonnen wird das Gold mit dem umstrittenen Zyanid-Verfahren. Das Gold kann Mithilfe des giftigen Blausäuresalzes Zyanid aus dem Stein gelöst werden. Doch ebenso problematisch wie die giftige Lauge ist der Abraum. Der Goldbergbau erzeugt mehr Abfall als jeder andere Bergbau, weil die Ausbeute an Edelmetallen so gering ist – ganze Berge werden dafür zersetzt, denn pro Tonne Stein gibt es nur ungefähr dreieinhalb Gramm Gold, wovon 80% geborgen werden können.
Ökologische Zeitbomben
In der Vergangenheit hat der Goldabfall bereits zu Katastrophen geführt, die von Betreibern und Politikern ignoriert werden. An einem See wird bis heute Abraum gelagert. Die Steine enthalten aber natürliches Arsen, das giftig ist. Durch die Lagerung kann das Arsen vom Regen ausgewaschen werden und gelangt in den mittlerweile abgestorbenen See, wie die Umweltschützer beklagen. Ein Ökologe der Mine versichert zwar, dass keine Gifte aus der Mine austreten können, doch dem scheint nicht so.
Eine ökologische Zeitbombe: Bei starkem Regen überschwemmt der Fluss Topolnitza den See und trägt das Gift bis in die Dörfer und auf die Felder stromabwärts. Den Bewohnern wurde das Ausmaß der Katastrophe verheimlicht. Erst im Oktober 2007 reagierten die Behörden – hilflos: In einen vergifteten Brunnen wird Desinfektionsmittel getropft, obwohl das gegen Arsen gar nicht hilft. Andere Maßnahmen aber gibt es nicht und so nutzen die Menschen weiterhin vergiftetes Wasser zum Beispiel für ihre Gärten.
Wasserflaschen auf Zuteilung
Damit die Menschen das Wasser wenigstens nicht trinken müssen, kauft der Bürgermeister für die 850 Einwohner jede Woche Mineralwasser und verteilt es. Allerdings bekommt jeder nur zehn Liter pro Woche. Weiter reicht das Geld nicht. Um sich wehren zu können, hat er eine eigene Wasserstudie in Auftrag gegeben. Das Ergebnisse: Die Arsenwerte des Wassers sind mehr als doppelt so hoch wie der maximale Grenzwert in Deutschland: 24,5 Mikrogramm pro Liter. Zum Vergleich: In Dresden sind es gerade 0,5 Mikrogramm.
Doch ob das vor Gericht etwas nützen wird, ist offen. Damit eine Klage Erfolg hätte, müssten die Einwohner nachweisen, dass das Arsen sie geschädigt hat. Bis also jemand wirklich vergiftet ist, müssen die Menschen weiter ihr Wasser aus dem Container holen: Ausgeliefert einer verfilzten bulgarischen Bürokratie, die mit schwammigen Regelungen den Konzernen Tür und Tor öffnet für eine brutale Ausbeutung von Mensch und Natur.
Ein Film der in Zusammenarbeit mit Portal e.V. aus Dresden entstand.