September 2008: Radtouren sind beliebt bei Urlaubern, doch Osteuropa erkunden bisher nur Individualtouristen. Das soll sich mit dem Donauradweg ändern. Gut beschildert führen die 2.000 Kilometer auch Durchschnittsurlauber am Fluss entlang bis ins rumänische Donaudelta.
Mit dem Fahrrad über den Balkan – das war bislang vor allem etwas für Abenteuerlustige. Doch die Drahtesel machen mittlerweile den traditionellen Pferdegespannen Konkurrenz auf den Straßen. Die 2.000 Kilometer durch Serbien und Bulgarien bis zum rumänischen Donaudelta am Schwarzen Meer trauen sich immer häufiger auch Durchschnittsradler zu. Entlang der Donau schießen Werkstätten, Fahrradverleihe und kleine Pensionen aus dem Boden. Im serbischen Novi Sad treffen wir einen, der geholfen hat, dieses kleine touristische Wunder zu vollbringen. Wolfgang Limbert von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit will den Blick der Radler nach Osten öffnen.
Das Europäische Radlernetz
Rund 600.000 Euro haben die GTZ und das Deutsche Ministerium für Zusammenarbeit für Beschilderung und Karten spendiert. Jetzt fügt sich der Donauradweg als „Veloroute 6“ ins Europäische Radlernetz ein. Dieser Weg führt vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer. Teilweise wurden dafür Radwege völlig neu angelegt. 665 Kilometer lang ist die Strecke allein in Serbien, fast immer in Sichtweite zur Donau, dem längsten Fluss Europas. Touristen gelangen jetzt bequem an Attraktionen wie den Donaudurchbruch „Eisernes Tor“. Doch dieser Ausblick ist nicht der einzige Grund für das Engagement der Deutschen.
Sie wollen vor allem der Wirtschaft im Osten Serbiens auf die Beine helfen. Im Kulturhaus von Donji Milanovac sollen Tourismusunternehmer lernen, sich selbst besser zu vermarkten. Wolfgang Limbert stellt das Programm vor: In Rollenspielen erfahren die Pensionsbetreiber, wie man ausländischen Radtouristen den Urlaub schmackhaft macht. Die eigenen Stärken kennen und laut darüber reden – was für westeuropäische Unternehmer ganz normal ist, fällt den Serben noch schwer. Trotzdem verwandelt sich der Workshop schnell in einen lautstarken Basar. Das Training hat Erfolg: Die Familien der Stadt haben schon 110 Fremdenzimmer geschaffen, vor vier Jahren gab es noch kein einziges.
Fremdenzimmer für Radler
Sogar Hausbesuche werden gemacht. Borica Stojanovic bessert seit einigen Monaten ihre schmale Rente mit einem Fremdenzimmer auf – Platz genug hat sie, seit die Kinder ausgezogen sind. Sie erklärt, was sie im Kurs gelernt hat: freundlich sein, eine Führung durchs Haus anbieten und auf die richtigen Umgangsformen achten. Mit den Unternehmern sind die Ausbilder zufrieden, Probleme bereiten der GTZ eher die Politiker.
Politisch stabiler sind die Verhältnisse im benachbarten Rumänien. Bis dorthin aber ist die GTZ mit ihren Schildern noch nicht gedrungen. Dabei gehört gerade die Donaumündung mit ihren vielen Nebenflüssen zum Highlight einer Donauradtour. Die größte Schilffläche der Welt gibt es dort, 33 verschiedene Biotope prägen die Landschaft und für Vögel ist das Delta ein wichtiges Brutgebiet. Tiberiu Tioc ist Biologe und führt Radtouristen durchs Delta. Denn wer alleine unterwegs ist, muss nach den schönsten Stellen oft lange suchen – zu schlecht ist bisher die Infrastruktur.
Doch gerade in den rumänischen Städten ist das Fahrradfahren keine reine Freude: viel Verkehr, keine Radwege, schlechte Straßen. Doch wer die 2.000 Kilometer über den Balkan hinter sich hat, lässt sich nicht mehr vom Ziel abbringen: Zwischen Tulcea und Konstanza mündet die Donau in vielen Nebenarmen ins Schwarze Meer. Durch zehn Länder und vier Hauptstädte hat die Donau bis dorthin geführt. Und dank deutscher Hilfe ist der europäische Fluss jetzt auch mit dem Fahrrad in seiner ganzen Länge zu erleben.
Redaktion: Thomas Eichberg