Armenien: Frauenpower in Männerdomäne

Armenien: Frauenpower in Männerdomäne, Mai 2010

Armenien: Frauenpower in Männerdomäne, eine TV Reportage über starke Frauen

Eine Demonstration in den Straßen der armenischen Hauptstadt Jerewan. Die Frauen fordern die Freilassung von politischen Häftlingen und die Einhaltung der Menschenrechte. Dass sich gerade Frauen stark machen für öffentliche Interessen, ist neu in Armenien. Hier herrscht eigentlich noch immer das Bild von der Frau als Seele des Hauses. Eine dieser rebellischen Aktivistinnen ist Ani Matevosyan. Die Studentin ist gerade 20 Jahre alt und müsste sich nach traditioneller Vorstellung jetzt eigentlich einen Mann zum Heiraten suchen. Stattdessen arbeitet sie für NGOs und Vereine, knüpft Netzwerke mit anderen Frauen.

Armenien im Wandel

Viele Armenier gehen zum Arbeiten ins Ausland. Auf 1.000 Frauen zwischen 20 und 24 Jahren kommen heute gerade noch 775 Männer. Trotzdem haben Frauen in Politik und Wirtschaft des Landes bislang wenig zu sagen. Ani und ihre Mitstreiterinnen wollen dieses Bild ändern. Ihre Freundin Shushan hat eine Fotoausstellung über das Leben der armenischen Frauen organisiert. Die Bilder hängen öffentlich in einem Park, um eine breite Diskussion anzustoßen. Den Künstlerinnen gehe es nicht allein um Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, sagen sie, sondern vor allem um das Wohl der Gesellschaft. Sie sehen Armenien als kulturelle Brücke zwischen Asien und Europa.

Anis Netzwerk ist mittlerweile weit gespannt. In fünf verschiedenen Organisationen arbeitet sie mit, parallel zum Studium. Ein Verlag hat diesen Debattierclub gegründet. Unter den Augen der armenischen Gründerväter diskutieren die jungen Frauen über die Zukunft. Weil der Staat nur für das Nötigste sorgen kann, ist viel bürgerliches Engagement gefragt, vor allem bei ökologischen oder sozialen Projekten.

Ani und ihre Initiativen

Zum Beispiel bei der Sache mit den Bäumen. Anfang der 90er Jahre herrschte eine Wirtschaftskrise, der Strom fiel aus, das Holz war knapp. Überall in der Stadt wurden Bäume gefällt. Noch heute klaffen überall die Wunden, die die Rodung hinterlassen hat. Die Aufforstung hat gerade erst begonnen. Dass überhaupt Bäume gepflanzt werden, ist auch ein Verdienst der armenischen Frauen. Der Staat wollte dafür kein Geld ausgeben. Anis Netzwerk hat für die Aufforstung getrommelt und viele Helfer gewonnen. Anfangs seien die Männer irritiert gewesen, dass hier Frauen die Initiative übernehmen, erinnert sich Ani. Doch jetzt packen alle mit an, schließlich geht es hier um ein patriotisches Anliegen.

Dass die Frauen gerade Bäume pflanzen, hat auch eine symbolische Bedeutung. Am Mahnmal für die Opfer des Völkermordes an den Armeniern pflanzen bis heute Staatsmänner aus aller Welt Bäume zum Gedenken an die über ein Million Toten. Jacques Chirac war ebenso hier, wie der russische Präsident Medwedew.

Ani fühlt sich der Geschichte verpflichtet

Durch die Katastrophe des Genozids fühlen sich Frauen wie Ani dem armenischen Staat verpflichtet. Schließlich litten zwischen 1915 und 1917 besonders die Frauen unter den türkischen Gräueltaten. Viele wurden in die Wüsten deportiert, wo sie zu Hunderttausenden umkamen. Das Museum zeigt Fotos und Filmausschnitte aus dieser Zeit. Ausgeliefert sein und abhängig von einer fremden Macht – so etwas soll armenischen Frauen nie wieder passieren, sagt Ani. Deshalb wollen die Aktivistinnen aus Armenien ein modernes Land machen. Wenn auch zunächst in ganz kleinen Schritten.

Eines der NGOs hat jetzt kostenlose Fahrradkurse für Frauen organisiert. Denn auch das war bisher nicht selbstverständlich – Mädchen wurde es oft verboten, aufs Rad zu steigen. Jetzt können sie hier jeden Sonnabend üben.

Ani ist zufrieden mit der Aktion. Denn auch, wenn Fahrrad fahren noch keine Garantie ist für mehr Gleichberechtigung in Armenien – ein Anfang ist gemacht. Und aufgeben werden diese Frauen garantiert nicht so schnell.

Armenien: Frauenpower in Männerdomäne ist eine TV Reportage. Der Film wurde von EichbergFilm im Auftrag der ARD produziert.