September 2009: In Deutschland haftet Punk eher ein schmuddeliges Image an, in Japan dagegen haben die Designer diesen Look als neuen Trend entdeckt. Und vor allem begeistert sie David – ein deutscher Punk, der nun auf japanischen Hochglanzbildern für Designerklamotten posiert.
Tokio ist die unumstrittene Modehauptstadt Asiens. Kaum ein Jugendlicher wagt sich hier ungestylt auf die Straße, je verrückter die Outfits desto besser. Vor allem am Nachmittag werden die Boulevards regelrecht zu Laufstegen. Unfrisiert oder im Schlabber-T-Shirt laufen höchstens Ausländer rum – Ausländer wie der Deutsche David Schumann. Er lebte in der Kölner Punk-Szene und kam vor vier Jahren nach Tokio, auf der Suche nach der großen Freiheit.
Mit kommerzieller Mode hat Punk eigentlich nichts zu tun. Doch gerade Davids abgerissener Schmuddel-Look kam bei den Japanern an. Ein Modelscout sprach ihn auf der Straße an – seither verdient er sein Geld mit Fotoshootings. Eigentlich ein kulturelles Missverständnis, wie er findet.
Vor der Kamera trägt er jetzt Designermode. Die japanischen Fotografen lieben seine Größe, sein schmales Gesicht und vor allem seine Tattoos, die in Japan noch immer als Zeichen des organisierten Verbrechens gelten. Arbeit bekommen in Tokio vor allem europäische Models, auch wenn die oft gar nicht in die japanischen Kleidergrößen passen. David ist es recht. 500 Euro bekommt er für vier Stunden Posieren. Seine Einstellung zum Leben habe sich durch das Glamour-Business aber nicht geändert.
2005 kam David für ein Studienjahr nach Tokio – er wollte Japanisch lernen. Bald war er pleite, die Model-Jobs haben ihn gerettet. Fotoshootings passen gut zum Punk-Leben, findet er: Lange ausschlafen, wenig Arbeit, viel Geld und viel Lob von den japanischen Auftraggebern.
Mit viel Arbeit könnte sich David wahrscheinlich ein schickes Apartment im teuren Tokio leisten. Doch der Punk mag es schlicht und ehrgeizig ist er auch nicht sonderlich. Deshalb lebt er bis jetzt nur zur Untermiete in einem winzigen Zimmer. Mit seinen Fotos ist er ganz zufrieden, immerhin hat er damit auch bei japanischen Frauen Erfolg. Die Mode ist ihm aber noch immer völlig gleichgültig.
Die Wirtschaftskrise macht aber auch ihm zu schaffen. Statt mehrerer Fotoshootings und Modeschauen pro Woche ist er jetzt schon froh über ein oder zwei Aufträge. Enge Kontakte zu Agenturen und Designern sind wichtig, dabei hilft ihm sein gutes Japanisch. Nach dem letzten Job hofft er auf Folgeaufträge, schließlich sind alle von seinen Bildern begeistert.
Und dann ist endlich Zeit für das wahre Leben. Tokio bei Nacht ist für David eine große Party. Dabei braucht er gar nicht die ungezählten Klubs und Karaoke-Bars. Fürs echte Punkrock-Gefühl reichen schon ein paar Dosen Büchsenbier mit Freunden auf dem Fußweg. Und wenn dann noch eine der japanischen Hardcore-Bands spielt, umso besser. Und auch, wenn dass hier eher ein hippes Modespektakel ist als echter Punk, ist sich David sicher: Für Momente wie diese lohnt sich der ganze Stress im ganz normalen Modelgeschäft.