Wasser in der Wüste

Mai 2008: Echte Kriege ums Wasser hat es – zum Glück – bisher kaum gegeben. Trotzdem schürt der Wassermangel in trockenen Gebieten alte Konflikte. So streiten sich im Nahen Osten Israelis und Palästinenser um Regen- und Grundwasser. Die Palästinenser haben dabei oft das Nachsehen, macht doch allein Israel die Regeln für die Wassernutzung.

Ein Ausweg könnte das sogenannte fossile Wasser sein – ein Geschenk aus der Urzeit, mit dem Israel nicht nur die Wüste zum Blühen bringen, sondern vielleicht auch den Friedensprozess beschleunigen kann.

Tiefes Wasser

Die Negev-Wüste bedeckt 60 Prozent der Fläche von Israel. Der Name bedeutet: „Die Trockene“. Eine tote, staubige Sandwüste. Doch gerade hier wollen israelische Wissenschaftler eines der drängendsten Probleme der Region lösen: Den Wassermangel.

Mitten in der Negev-Wüste liegt das Blausteininstitut der Ben Gurion Universität. Hier erforschen Professor Samuel Appelbaum und seine Kollegen ein ganz besonderes Naturwunder: Wüstenwasser. 30.000 Jahre lang hatte dieses Wasser verborgen in tiefen Erdschichten gelagert. Es sind wahrscheinlich die Reste eines Meeres, das in Urzeiten die Erde im Nahen Osten bedeckte – heute ist das fossile Wasser der Grundstock für neues Leben in der Wüste.

Das Geschenk aus der Urzeit umfasst viele Milliarden Kubikmeter – 300 Jahre lang könnte Israel damit Fischzucht und Landwirtschaft betreiben. Unabhängig von Flüssen, Regen- oder Grundwasser.

Wasser in der Wüste

Gefördert wird der Schatz aus der Tiefe in gesicherten Pumpstationen. Bis zu 1000 Meter tief musste gebohrt werden. Dafür ist das fossile Wasser billig und darf – anders als Süßwasser – ohne Abgabequoten verteilt werden. So lohnt sich auch eine eigene Teichwirtschaft. Vier Betriebe produzieren rund 200.000 Fische im Jahr mit dem Wüstenwasser. Die meisten davon werden auf den Basaren des Landes verkauft. Landwirtschaft und Fischzucht gab es bisher vor allem im israelischen Norden. Künftig könnte ausgerechnet der trockene Süden wirtschaftlich stärker werden.

Sogar der Tourismus profitiert vom neuen Überfluss. Das warme und leicht salzige Wasser wird in Thermalbäder geleitet, in denen unter anderem Gelenkschmerzen kuriert werden sollen. Anwohner und Besucher genießen den Luxus in Wüstennähe.

Doch obwohl das unterirdische Wasser über die ganze Region verteilt ist, profitieren nicht alle davon. Die Grenze zieht die Politik: Die Palästinensergebiete leiden ebenso wie Israel unter der Trockenheit. Aber weil allein Israel über die Wasserverteilung entscheidet, werden hier die Ressourcen immer knapper.

Wasser für Palästina

An der Universität Birzeit bei Ramallah treffen wir Prof. Rashed Al Sa’ed, der das Recht auf eigenes Wasser fordert. Der Wasserexperte erklärt seinen Studenten, dass die Wassermenge, die Israel an die Palästinenser liefert, bereits 1994 festgelegt wurde. Seither bleibt die jährliche Menge gleich, obwohl die Bevölkerung in den Palästinensergebieten stark gewachsen ist.

Tatsächlich muss auch da, wo im kargen Land Wasser fließt, die Nutzung von Israel genehmigt werden. Wir begleiten einen Mitarbeiter der palästinensischen Wasserbehörde. Das oft ungenutzte Grundwasser fließe wegen der Bodenbeschaffenheit später von allein auf israelisches Gebiet, sagt er. Von dort müssen es die Palästinenser teuer zurückkaufen.

Willkürliche Preise und ein tägliches Limit von 50 bis 80 Litern für jeden Palästinenser lassen die Verbitterung wachsen. Der Verbrauch der israelischen Siedler ist immerhin zwei- bis dreimal so hoch, der Preis für sie aber um 60 Prozent günstiger.

Zierfische für die Welt

Dass das fossile Wasser den Streit zumindest entspannen könne, davon ist Wasserforscher Appelbaum überzeugt. Dabei beruft er sich auf den Staatsgründer Israels Ben Gurion. Auch der Gründervater sah Zukunft und Fortschritt des Landes in der Bezwingung der Negev-Wüste. Vielleicht liegt hier tatsächlich ein Schlüssel zu mehr Verständigung.

Für Israel ist das Wasser aus der Urzeit auf jeden Fall schon jetzt ein Wirtschaftsfaktor. Mittlerweile werden sogar Zierfische von hier aus in die ganze Welt exportiert. Die wenigsten Käufer werden wissen, dass ihre Guppies, Haibarben oder Koridoras direkt aus der staubtrockenen Negev-Wüste stammen.

Redaktion: Thomas Eichberg

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