Bulgarien: Stadt der Hochzeitsmacher

Juni 2008: Asenovgrad gilt als Hochzeitshauptstadt Bulgariens. Die einst unbedeutende Kleinstadt profitiert vom neuen Traditionsbewusstsein im Land: Heiraten ist in. Für die über 100 Hochzeitsschneidereien ist dies ein lukratives Geschäft.

Traurig ist die Musik, die am Morgen des Hochzeitstages von Ivan Bordurov im bulgarischen Asenovgrad erklingt. Der 26-Jährige nimmt Abschied von seinem Junggesellenleben. Doch die Melancholie währt nicht lange. Gemeinsam mit seinen Freunden tanzt der Marketingspezialist den traditionellen Huro auf der Straße, denn so gehört es sich für eine echte bulgarische Hochzeit.

Heiraten liegt im Trend

Damit liegen der Freier und seine Trauzeugen im Trend. Die Eheschließungen haben sich allein in der Stadt Asenovgrad in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt. Und auch die Hochzeitsbräuche werden wieder gepflegt. So muss auch Ivan seine Frau von deren Familie symbolisch loskaufen. Und der Braut selbst fehlt ein Schuh: Aschenputtel lässt grüßen. So kann sie natürlich auf keinen Fall das Elternhaus verlassen, also muss der Bräutigam suchen. Mitnehmen kann er die Braut dann noch immer nicht, denn der Schuh sei zu groß. Also wird er passend gemacht – am besten mit ein paar Geldscheinen für die Haushaltskasse.

Dann endlich kann weitergetanzt werden. Thrakische Folklore, der Huro und geschmückte Schnapsflaschen sind von einer Hochzeit in Asenovgrad nicht wegzudenken. Das Städtchen im Süden Bulgariens ist die Hochzeitshauptstadt des Balkans. Paare kommen auch aus den Nachbarländern, um hier zu heiraten oder zumindest um ein Kleid zu kaufen. Denn obwohl die Stadt gerade mal 56.000 Einwohner hat, gibt es über 100 Traditionsfirmen, die vor allem eins produzieren: Hochzeitskleider und Hochzeitsschmuck.

Tradition trifft Moderne

Ihren guten Ruf verdanken die berühmten Asenovgrader Hochzeitschneider einer langen Tradition. Bereits 1892 stellte die Asenovgrader Seidenfabrik auch Papierblüten und Kunstblumen her – als Hochzeitsschmuck für Bauern, die nur im Winter Zeit zum Heiraten hatten. Dann, wenn es keine frischen Blumen gab. Dem Gründer der Kunstblumenproduktion, Cristo Kovatsche, wird noch heute im Stadtmuseum gedacht. Nach dem Ende des Sozialismus und der Pleite des staatlichen Bekleidungskombinates haben viele Schneider diese Tradition wieder aufgegriffen. Eine der ersten Selbständigen war Neli Pramatova. Sie lernte das Schneidern noch von ihrer Großmutter. Das Heiraten sei für Bulgaren heute eine so ernste Angelegenheit, dass es ausreichend zu tun gäbe.

Bis zu umgerechnet 900 Euro kosten die maßgeschneiderten und bestickten Hochzeitskleider in Asenovgrad. Dafür müsste eine einfache Verkäuferin drei Monate lang arbeiten. Klar, dass traditionsbewusste Asenovgrader nicht nur im Standesamt heiraten. Auch Ivan und Tudora mussten vor der Kirche eine Stunde warten, weil sich so viele Paare nach dem orthodoxen Ritus trauen lassen. Dazu gehört die Krönungszeremonie, die den christlichen Sieg über den Tod symbolisiert. Nach dem Eheversprechen umkreist das Brautpaar dreimal den Altar – erst dann ist die Ehe geschlossen.

Die Lust der Jungen am Heiraten freut auch die Alten. Sie sehen sich jede Hochzeit in der gegenüberliegenden Kirche an. Vier- bis fünfmal wird dort am Wochenende geheiratet. Das ist gut für Bulgarien, denn mit dem Hochzeitsboom erlebt das Land auch einen Kinderboom. Auch daran wollen sich Ivan und Tudora möglichst schnell beteiligen.

Redaktion: Thomas Eichberg