August 2007: Wer in der Europäischen Union Schnaps brennt und verkauft, der muss dafür Steuern zahlen. Das gilt eigentlich auch für die neuen Mitgliedsländer, wie Bulgarien. Umgerechnet 2,50 Euro sollen bulgarische Bauern seit diesem Jahr für jeden Liter Schnaps bezahlen, den sie selbst brennen. 30 Liter sind für den Eigenbedarf ganz steuerfrei. Einen gerechten Markt und mehr Kontrolle versprechen sich die Politiker davon. Doch die Vorschriften der EU kollidieren mit einem jahrhunderte alten Gewohnheitsrecht der Bulgaren. Und so wird sich die neue Steuer wohl nur schwer durchsetzen lassen – eine ganze Gesellschaft ist im Bummelstreik.
Egal was in Bulgarien gerade gefeiert wird – eines darf dabei nie fehlen: Der Zauber des Rakias. Den bulgarischen Obstschnaps besingen die Frauen hier sogar am Festtag der Heiligen Maria. Der Schnaps sei die Seele des Volkes heißt es, wirke gegen Bluthochdruck genauso wie gegen Traurigkeit.
Steuern für alle über 30 Liter
Der Rakia stammt häufig aus den Dörfern im Süden Bulgariens. Wie z.B. in Sandanski haben fast allen Gemeinden eine Kasan, eine kommunale Destille. Den eigenen Schnaps wollen die Bauern nicht nur trinken, sondern wie eh und je auch verkaufen – und zwar steuerfrei. Das ist seit dem EU-Beitritt Bulgariens aber nicht mehr erlaubt. Ein europäisches Gesetz zwingt die Schnapsbrenner erstmals, Steuern zu zahlen. Ein Katastrophe, klagt Ilia Markov, der im letzten Jahr 3.500 Euro mit seinem Gebrannten verdient hat – in Bulgarien ein Jahresgehalt.
Dabei sind ihre Sorgen wohl unbegründet. Was in anderen EU-Ländern selbstverständlich ist, stößt hier auf zähen Widerstand. Obwohl das Gesetz bereits seit dem 1. Januar gilt, hat in Sandanski noch niemand Steuern kassiert. Wieso wird das Geld nicht eingetrieben?
In der Hauptstadt Sofia erleben wir ein Lehrstück über bulgarische Realpolitik. Der Weinverband etwa kann nicht einmal sagen, ob das Gesetz überhaupt umgesetzt wird.
Steuern? Vielleicht demnächst…?
Angeblich soll der Zoll zuständig sein für das Eintreiben der Schnapssteuer. Doch trotz Anmeldung und Termin, will man dazu kein Interview geben. Wir versuchen am Haustelefon den Pressechef zu sprechen. Die lakonische Antwort: Ja, das europäische Gesetz gelte jetzt auch in Bulgarien. Ob aber die Steuer nun eingetrieben werde, will er nicht sagen.
Obwohl die Bulgaren so sehnlich in die EU wollten – ihre Regeln zu akzeptieren fällt schwer und könnte Wähler kosten. So erklärt Parlamentarier Yane Yanev die Zurückhaltung der Behörden.
Doch selbst wenn in Dörfern wie Sandanski die Steuer eingetrieben würde, käme wohl kaum Geld ins Staatssäckel. Gebrannt wird hier wie vor hundert Jahren. Keine Zähler prüft, wieviel Schnaps wirklich gebrannt wird. Geld für Messgeräte und Kontrollen gibt es nicht.
Dafür hat das untaugliche Gesetz bereits jetzt Schaden angerichtet. Es leiden die, die eigentlich vor den Schwarzbrennern geschützt werden sollten – die offiziellen Großbrennereien. Denn auch ihre Steuer wurde zum 1. Januar angehoben – und seither selbstverständlich kassiert. Das aber die illegale Brennerei weiter die Preise verdirbt, macht ihnen schwer zu schaffen –2,5 Millionen Euro hat renommierte Iskra-Kelterei gerade in ihre neue Anlage investiert.
Steigende Schnapspreise
Die Folge sind steigende Schnapspreise und sinkende Verkaufszahlen. Das aber schadet nicht nur den Unternehmern, sondern auch dem Staat selbst. Statt mehr Geld aus der Alkoholsteuer einzunehmen, wie ursprünglich geplant, sinken die Einnahmen jetzt sogar. Von dem Chaos der Gesetzgebung profitieren allein die kleinen Schnapsbrenner.
Auch Ilia Markov freut sich über das Zusatzeinkommen aus seinem Weinberg, dass ihm wohl auch in diesem Jahr steuerfrei zukommen wird. Und für den Fall, dass der Staat tatsächlich die Dorfdestille überwachen sollte, hat Ilia Markov schon vorgesorgt: Stolz zeigt er uns seinen eigenen Brennofen. Dann wird er eben hier mit diesem Kessel seinen Rakia zu Hause machen.